Dieser
Artikel entstand aus Anlass eines Jahrestreffens der
Fahrplansammler
und wurde in einem Sonderheft im Jahr 2009
veröffentlicht. In
abgewandelter Form erschien diese Arbeit zu einem
späteren
Zeitpunkt in
einer Ausgabe des "Lok-Report". Er beschreibt die
Entwicklung des
Fernverkehrs auf der Bahnstrecke
Hamburg-Berlin von der Wiedervereinigung im Jahr 1990
bis in das Jahr
2009. In diesen 20 Jahren haben sich sowohl die
Strecke (Unter- und
Oberbau, Leit- und Sicherungstechnik, Hochbauten) als
auch die
eingesetzten Fahrzeuge und die Traktionsart
grundlegend gewandelt. Die
damaligen Fahrzeiten (der erste Intercity von Berlin
nach
Hamburg-Altona war vier Stunden und 23 Minuten lang
unterwegs)
erscheinen heute wie aus einer anderen Welt.
Mehrere
Ausbauphasen
konnten die Fahrzeit seitdem mehr als halbieren. In
einem
ersten Schritt wurden Teile der Strecke zwischen
Ludwigslust und Nauen
für Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h hergerichtet
(welche im
Jahr 1992 allerdings nur von elektrisch bespannten
InterRegio-Zügen der Relation Schwerin-Berlin erreicht
wurden). In
den folgenden Jahren folgte ein grundlegender Ausbau
der gesamten
Strecke, welcher größtenteils einem Neubau gleichkam.
Die
Verbindung wurde vollständig elektrifiziert und mit
einem zweiten
Gleis versehen (westlich von Ludwigslust fehlte dieses
größtenteils). Im Herbst 1996 war die Strecke zwischen
Hamburg und Nauen (und weiter nach Berlin-Lichtenberg)
schließlich durchgehend elektrisch mit 160 km/h
befahrbar, ab dem
Frühjahr 1997 auch direkt bis Berlin Zoo.
Parallel
liefen während dieser Zeit Planungen, zwischen Hamburg
und Berlin
den Transrapid als neues Verkehrsmittel einzusetzen.
Aus diesem Grund
wurde auf den normalerweise naheliegenden Ausbau auf
höhere
Geschwindigkeiten verzichtet.
Erst nach der politischen Entscheidung gegen die
Transrapidtechnik auf
dieser Relation wurde der Bahnstreckenausbau
fortgeführt. Zum Ende
des Jahres 2004 gelang es schließlich, die Fahrzeit
zwischen den
beiden größten Städten Deutschlands auf
prestigeträchtige 1 ½ Stunden zu verkürzen.
Hierfür wurde auf der gesamten Strecke eine neue
Signaltechnik
installiert. Die vorhandene Oberleitung wurde für
höhere
Geschwindigkeiten ertüchtigt und an der Strecke
verschwanden fast
70 Bahnübergänge, welche überwiegend durch Brücken
oder Unterführungen ersetzt wurden. Als neue
Zielgeschwindigkeit
wurden 230 km/h definiert:
Was
liegt
näher, diese Strecke zur Einstimmung auf diesen Artikel
einmal selbst „zu erfahren“. Begleiten wir im Sommer 2009
den ICE 803
auf seiner Fahrt von Hamburg nach Berlin:
Gebildet
aus
einem Triebzug der Baureihe 401 startet der Zug um 11.52
Uhr in Hamburg-Altona. Die Kilometrierung der Strecke bis
Hamburg Hbf
entspricht hier schon der Magistrale nach Berlin. Nach
Passieren der
Holstenbrauerei schlängelt sich ICE 803 über die stark
frequentierte Verbindungsbahn an den S-Bahn Stationen
Holstenstraße und Sternschanze durch die Hamburger
Innenstadt.
Nach einem kurzen Halt am Dammtor und Überqueren der
Alster warten
die meisten Fahrgäste traditionell am Hamburger
Hauptbahnhof, um
in den Zug gen Hauptstadt einzusteigen.
12.06
Uhr –
Ausfahrt für ICE 803 von Gleis 8. Das Ausfahrsignal O8
weist zusätzlich den Kennbuchstaben „B“ aus – der Fahrweg
liegt
also in Richtung Büchen; alternativ fahren von hier aus
auch Züge in Richtung Lübeck ab, deren Fahrweg mit einem
„L“
gekennzeichnet wäre. Links vorbei am „Hühnerposten“, dem
ehemaligen Hauptpostamt verlassen wir den Hamburger
Hauptbahnhof. Nach
wenigen hundert Metern endet der Weichenbereich des
Hauptbahnhofes, die
beiden mittleren Gleise führen von und nach Lübeck und die
beiden äußeren parallel zur S-Bahnstrecke nach Aumühle
in Richtung Berlin. An der nun folgenden Übergangsstelle
Anckelmannsplatz vereinigen sich die beiden Berliner
Gleise, da der
folgende Abschnitt bis Rothenburgsort eingleisig
ausgeführt ist.
Früher wechselten die Reisezüge hier von den
Fernbahngleisen
auf die Trasse der S-Bahn und „schwammen“ bis Bergedorf
bzw.
Aumühle im Takt der Hamburger S-Bahn Linie S2 / S21 mit.
Seit
Mitte der Neunziger Jahre fährt die Fernbahn vollständig
auf
eigenem
Gleiskörper. Ab Rothenburgsort steht ein zweites Gleis zur
Verfügung; dieses zweigt hier in Richtung Oberhafen ab –
übrigens eine Alternativstrecke für die Fahrt vom und zum
Hamburger Hauptbahnhof, die nur unwesentlich mehr Fahrzeit
in Anspruch
nimmt.
Im
Anschluss an
den S-Bahnhof Tiefstack erblicken Fahrgäste
linkerhand etwas von der Vegetation verdeckt nun die
Feuerwehrschule –
incl. Eisenbahntechnik, denn auf dem Gelände stehen
mehrere
ausrangierte U- und S-Bahnwagen als Übungsobjekte zur
Verfügung. Unser ICE nimmt derweil Fahrt auf, denn hier
sind nun
160 km/h möglich. Auf der rechten Seite liegt der
Umschlagbahnhof
Hamburg-Billwerder; Start und Ziel für Containerzüge,
welche
vorwiegend in der Nacht auf die Reise geschickt werden.
Die folgenden
Abschnitte muten schon recht ländlich an, obwohl wir uns
noch
mitten in Hamburg befinden. Im weiteren Verlauf entstand
in den letzten
Jahren südlich der Gleise das große Neubaugebiet
Allermöhe incl einer neuen S-Bahnstation mit gleichem
Namen. Von
hier aus ist es nur ein Katzensprung bis Nettelnburg, wo
unser Zug in
die LZB aufgenommen wird, welche Geschwindigkeiten höher
160 km/h
erst ermöglicht. Hier befindet sich außerdem der Abzweig
in
Richtung Geesthacht – ein heute nur noch von
Museumseisenbahnen bzw.
industriell betriebener Abschnitt. Die nun folgenden
Gleisanlagen des
Bahnhofes Bergedorf wurden ebenfalls in den 90er Jahren
incl. dem
Bahnsteig neu gestaltet. Unser ICE fährt ohne Halt durch;
neben
Regionalzügen halten hier nur noch in Tagesrandlage
Fernzüge
nach Rostock und Berlin/Dresden.
Die
Leistung der
vier Fahrmotoren in jedem Triebkopf beschleunigt uns
inzwischen auf 200 km/h. Etwas versteckt hinter
Lärmschutzwänden verlassen wir die Hansestadt und tauchen
in
den Sachsenwald ein. In Aumühle endet die S-Bahn; an deren
Anlagen
schließt sich ein Eisenbahnmuseum an, dessen Fahrzeuge im
Außengelände der interessierte Fahrgast auf der linken
Seite
kurz zu sehen bekommt. Es folgt Friedrichsruh, Ruhestätte
des
ehemaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck. Über
Schwarzenbek und
den kleinen Ort Müssen fährt unser ICE weiter ostwärts.
Nach Verlassen des Sachsenwaldes erhalten wir übrigens die
Freigabe für Tempo 230.
IC
zwischen Schwarzenbek und Büchen
Letzter
Bahnhof
in Schleswig-Holstein ist nun Büchen. Hier
kreuzt die Bahnstrecke von Lübeck nach Lüneburg unseren
Weg.
Abseits der ausgebauten Trasse wirken die Bahnanlagen
verwaist und
verlassen. Auf beiden Seiten unseres
Hochgeschwindigkeitsgleises
erobert sich die Vegetation ehemals genutztes Terrain. Vom
geschäftigen Treiben eines früheren Grenzbahnhofes zur DDR
ist kaum etwas geblieben; Rotes Kreuz und Bahnhofsmission
sind
längst verschwunden, ebenso die früher umfangreichen
Rangierarbeiten bei Zügen in und aus der DDR. ICE 803
überquert nun den Elbe-Lübeck-Kanal, durchfährt ein
Wäldchen und kurz darauf einen geschichtsträchtigen Ort –
die
ehemalige innerdeutsche Grenze.
Für nicht ortskundige
Fahrgäste ist heute nicht mehr zu erkennen, wo sich einst
die
Grenzlinie befand. Die Natur hat sich in den letzten 20
Jahren ihr
Reich zurückerobert. Ein „Überbleibsel“ von früher
besteht allerdings trotzdem noch: Wir erreichen nun
Schwanheide, die
erste Station in Mecklenburg-Vorpommern. Dort existiert
heute noch das
Abfertigungsgebäude der damaligen Grenztruppen. Es steht
seit
vielen Jahren leer und ist dem Verfall preisgegeben. Auch
das kleine
Bahnhofsgebäude von Schwanheide ist erhalten (es liegt in
Fahrtrichtung links). Es beherbergt allerdings auch schon
viele Jahre
keine Fahrkartenausgabe mehr und auch der Fahrdienstleiter
hat hier
schon im letzten Jahrtausend seinen letzten Dienst
versehen.
Sämtliche Rangier- und Abstellgleise sind ebenfalls
verschwunden.
Blick
aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der
Grenztruppen auf die Bahnhofsanlagen in Schwanheide
Wir
nähern
uns nun der Elbe und dem Ort Boizenburg. Die
Geschwindigkeit wird hier kurzzeitig auf 200 km/h
reduziert – um einen
Blick auf die links liegende Gummibärchenfabrik werfen zu
können? Industrie ist in dieser Region nur in geringem
Maße
angesiedelt; wir fahren nun an unzähligen Feldern,
Waldgebieten
und einzelnen Gehöften vorbei. Aufmerksame Beobachter
entdecken
nah an der Strecke sogar ein Storchennest.
Manch
früherer Bahnhof hat den Streckenausbau nicht
„überlebt“, nicht jede Station wird heute noch bedient.
Zum Teil
stehen noch gut erhaltene Bahnhofsgebäude oder auch nur
Fragmente
ehemaliger Verkehrsstationen; manchmal ist es auch nur ein
leerstehendes
Stellwerk. Eine dieser ehemaligen Stationen ist
Kuhlenfeld, an der
Strecke zwischen Boizenburg und Brahlstorf gelegen. In
Fahrtrichtung
links sind noch Reste von Dienstgebäuden/Rampen zu sehen.
Hier
wurden früher von den „zuständigen Organen“
Warenkontrollen
an nach Westen fahrenden Zügen vorgenommen.
An
jedem Platz
unseres ICE stehen Steckdosen für die Nutzung
elektronische Geräte zur Verfügung. Auf der Fahrt bis
Berlin
treten mehrere kurze Unterbrechungen der Stromversorgung
auf. In diesen
Augenblicken durchfährt der Zug eine Schutzstrecke; der
Hauptschalter wird hierbei ausgeschaltet und die
Versorgung der
Bordelektronik unterbrochen. Grund hierfür ist die
dezentrale,
unter Umständen nicht aufeinander
abgestimmte Stromversorgung der Strecke. Insgesamt
bestehen
zwischen Hamburg und Berlin drei Schutzstrecken. Eine kurz
vor Hagenow
Land, die zweite bei Glöwen (sie ist i.d.R.
durchgeschaltet) und
die dritte bei Paulinenaue.
Nächster
größerer
Unterwegsbahnhof ist Hagenow Land.
Hier zweigt die Strecke nach Schwerin-Bad Kleinen ab,
außerdem
trifft hier die Nebenbahn aus Hagenow auf die
Berlin-Hamburger Bahn.
Diese Nebenbahn wurde bis vor einigen Jahren noch bis
Zarrentin
bedient; ursprünglich bestand eine durchgehende Verbindung
bis
Ratzeburg und im weiteren Verlauf nach Bad Oldesloe.
Hagenow
Land von
der Schweriner
Seite aus gesehen
Relikt
des ehemaligen Betriebswerkes Hagenow Land
Zwischen
dem
alten Wasserturm und den Anlagen des ehemaligen
Betriebswerkes Hagenow Land fährt unser Zug über
Strohkirchen
und Jasnitz weiter bis nach Ludwigslust. Die links der
durchgehenden
Hauptgleise liegenden Eisenbahnanlagen zeugen von einer
umfangreichen
ehemaligen Bedeutung dieses Kreuzungspunktes.
Schon in der Anfahrt auf
Ludwigslust sind in Fahrtrichtung links die in einer
weiten Kurve
zulaufenden Gleise der Strecke von/nach Schwerin zu
erkennen. Am
Ostkopf des Bahnhofes zweigt die Nebenbahn in Richtung
Parchim – Karow
– Waren ab; ein wunderschönes wasserreiches Erholungs- und
Urlaubsgebiet. Bis vor einigen Jahren bestand von
Ludwigslust auch eine
Bahnverbindung bis Dömitz; der Verkehr ist hier jedoch
eingestellt. Nach der Wende bestanden Überlegungen, die
ursprünglich über die Elbe weiterführende Strecke bis
ins niedersächsische Uelzen wieder herzustellen. Mangels
Potenzial
und fehlender Finanzmittel wurden diese Pläne nicht weiter
verfolgt.
EC
176 im Juni
2001 beim Zwischenhalt in
Ludwigslust
Die
Führung
der Berlin-Hamburger Bahn durch den Ort Ludwigslust
erfordert eine Reduzierung auf 160 km/h; im Anschluss
fahren wir in
südöstlicher Richtung weiter über Grabow und verlassen
bei Klein Warnow schließlich Mecklenburg. Nächster Bahnhof
ist Karstädt – hier haben wir die Hälfte der Reise von
Hamburg nach Berlin geschafft. Die mächtigen Getreidesilos
nördlich der Strecke bilden eine markante Silhouette.
Das
Land
Brandenburg empfängt uns mit ähnlicher Topographie
wie der Streckenabschnitt zuvor. Zusätzlich sind nun zur
Energiegewinnung installierte Windkraftanlagen bis kurz
vor Berlin
unregelmäßige, aber immer wiederkehrende Begleiter unserer
Fahrt. Ab Dergenthin verändern sich die Fahrgeräusche ein
wenig. Grund ist die ab hier bis Wittenberge verlegte
feste Fahrbahn.
Wittenberge
–
größter Eisenbahnknotenpunkt zwischen Hamburg
und Berlin. Mit Schließung des Betriebswerkes und
umfangreichem
Umbau der Bahnhofsanlagen hat dieser Standort allerdings
sehr an
Bedeutung verloren. Ursprünglich bestand der Bahnhof
Wittenberge
aus zwei Bahnhofsteilen - der „Berliner“ und der
„Magdeburger Seite“.
Die Trennung erfolgte nördlich der Bahnsteige; im
südlichen
Bereich befand sich im Anschluss an die öffentlichen
Bahnhofsanlagen zwischen den beiden abzweigenden Strecken
nach Berlin
und Magdeburg das Betriebswerk.
Ungewöhnlicher
Zug auf der
Magdeburger Seite des Bahnhofes Wittenberge. Wegen
Komplettsperrung bis
Nauen
wurden Fernzüge nach Berlin im Sommer 2003 über
Osterburg-Stendal umgeleitet.
Hier ist der aus ungarischen Wagen gebildete IC 2571 zu
sehen
Im
Zuge
der Modernisierung wurde beschlossen, die Magdeburger Seite
komplett aufzugeben und alle Züge künftig von neuen
Bahnsteigen auf der Berliner Seite abfahren zu lassen. Da
die
Infrastruktur des Werkes nicht mehr benötigt wurde, konnte
eine
zweigleisige Neubaustrecke durch die alten Werksanlagen
geführt
werden, welche südlich hiervon wieder auf die ursprüngliche
Trasse über die Elbe und weiter in Richtung Stendal -
Magdeburg
führt. Außerdem zweigt in Wittenberge die Nebenstrecke in
Richtung Perleberg – Wittstock ab. Ziel der dort fahrenden
Züge
ist übrigens auch Berlin(-Spandau). Für Fahrgäste mit
Ziel Berlin ist diese Route allerdings nur eine Alternative,
wenn Zeit
eine untergeordnete Rolle spielt.
Größter
Arbeitgeber in Wittenberge ist dennoch weiterhin die
Eisenbahn – nördlich des Bahnhofes liegt das Wagenwerk,
welches
weiterhin in Betrieb ist. Zur Revision bzw. zu Umbauten
anstehende
Wagen stehen i.d.R. in langen Reihen vor dem Werk
abgestellt; für
den Eisenbahnfan ist ein kurzer Blick dorthin immer lohnend.
Im
weiteren
Verlauf aus Wittenberge heraus wurde auch die Berliner Bahn
für ein kurzes Stück neu trassiert, um Geschwindigkeiten von
160 km/h zu ermöglichen. Mit dieser Neutrassierung sind auch
die
letzten Spuren des kleinen Haltepunktes Wittenberge Süd
verschwunden.
Umbau
der
Berliner Seite im
Bahnhof Wittenberge. Hier der Zustand im Sommer 2001
Rechts
verabschiedet
sich der Uhrenturm des alten Wittenberger
Nähmaschinenwerkes und wir rollen nun direkt auf Berlin zu.
Die
eisenbahnfreundliche Topographie erforderte generell wenig
Kunstbauten
und erlaubt lange, mitunter als eintönig empfundene Geraden
auf
dem Weg an die Spree. Durch langgezogene Wälder rollen wir
der
Hauptstadt entgegen. Alte Stationen wie z.B. das nun
folgende Kuhblank
finden keine Beachtung mehr; eine dort noch vorhandene
Betonrampe ist
stummer Zeuge, dass an diesem Ort früher Militärfahrzeuge
verladen wurden. Über Bad Wilsnack und Glöwen geht es weiter
in Richtung Osten, manch Reh grüßt von an einer Waldlichtung
aus an die Strecke. Nicht wenige wagen sich hier auch
manchmal kurz vor
einem herannahenden Zug über den Schotter auf die andere
Gleisseite.
In Breddin legen die Regionalzüge Wismar-Berlin ihren
nächsten Halt ein, die darauffolgenden Orte Stüdenitz und
Zernitz haben ihre Stationen verloren – auch wenn in Zernitz
noch das
gut erhaltene Bahnhofsgebäude steht. Die Reduzierung unserer
Geschwindigkeit von 230 km/h auf 190 km/h kündigt
Neustadt(Dosse)
an. Privatbahnen fahren von hier aus über Kyritz in Richtung
Pritzwalk; die Schienenverbindung nach Rathenow ist hingegen
seit
einigen Jahren stillgelegt.
Über
märkischen Sand fahren wir durch Friesack und
Paulinenaue. Nach Passieren des ehemaligen Bahnhofes Berger
Damm befand
sich früher für manch Interzonenreisenden nördlich der
Strecke ein markantes Signal, bald Berlin erreicht zu haben:
Das nun
folgende Nauen ist als „Funkstadt“ bekannt. In Fahrtrichtung
links
befanden sich bis vor etwa 10 Jahren Sendetürme, welche noch
von
der Deutschen Post der DDR errichtet wurden. Geblieben ist
bis heute
eine einzige schwenkbare Antenne; das rot-weiße Stahlgerüst
ist am Horizont noch gut zu erkennen.
Auch eine weitere Begebenheit
kündigt nun Berlin an. Aufgrund weitestgehend fehlender
Bebauung
an der Strecke in Brandenburg sind Züge nachts bis hierher
durch
starke Dunkelheit gefahren. In der Anfahrt auf Nauen (der
Bahnhof
befindet sich auf einer leichten Anhöhe) ist am Horizont
voraus
erstmals der Lichtschein der Millionenmetropole Berlin zu
sehen.
Ein
kurzer Ausflug in die Vergangenheit –
Ausschnitt aus einer Streckenkarte des Jahres 1979
Im
Bahnhof
Nauen fliegen die ehemaligen Stellwerke „Nau“ und „Not“
an uns vorbei. Die bald folgende Umgebung der ebenfalls
aufgegebenen
Blockstelle Graben kündigt kurz darauf wieder das urbane
Leben an.
Siedlungen und Gewerbe sind rechts und links der Strecke
zu sehen. ICE
803 unterquert den Berliner Autobahnring und überquert im
Anschluss den Havelkanal. Im nun folgenden Brieselang
bestehen
Abzweigmöglichkeiten auf den Berliner Außenring. Von
Personenzügen werden diese Fahrtmöglichkeiten in dieser
Richtung momentan nicht genutzt; früher fuhren EC-Züge ab
hier nördlich um Berlin herum zum Bahnhof Lichtenberg.
Nach
Unterqueren des Außenrings folgt linkerhand das Gleis aus
Hennigsdorf-Falkenhagen – die oben erwähnten Regionalzüge
aus
Wittenberge über Wittstock treffen hier wieder auf die
Hauptstrecke. Finkenkrug und Falkensee sind schon Berliner
Vororte,
welche in der Regel halbstündlich mit Nahverkehrszügen an
Berlin angebunden sind. In Fahrtrichtung rechts sind nun
die ehemaligen
Herlitz-Werke zu sehen; heute beherbegt das Gebäude ein
Logistikunternehmen. Zur damaligen Eröffnung wurde eigens
für
die Beschäftigten ein eigener Haltepunkt „Seegefeld
Herlitzwerke“
eingerichtet; die Werksbezeichung ist inzwischen
entfallen.
Unmittelbar
im Anschluss folgt schon Albrechtshof, die letzte Station
in
Brandenburg. Wir befinden uns nun auf einer Dammlage,
links und rechts
sind unterhalb die Häuser von Staaken zu sehen. Staaken
ist
zweigeteilt und wurde bis 1989 von der Berliner Mauer
getrennt. Auch
hier ist ähnlich wie zwischen Büchen und Schwanheide heute
kaum mehr zu erkennen, wo früher die Grenze existierte.
Kleiner
Tipp: In Fahrtrichtung links hat sich unmittelbar auf dem
damaligen
„Schutzstreifen“ ein Lebensmittel-Discounter eingerichtet.
Hier endet
auch das Betriebsverfahren der LZB-Führung. ICE 803
unterquert die
hier beginnende 1998 fertiggestellte Schnellstrecke nach
Hannover und
rollt nach Spandau hinein.
Direkt an der Strecke sind nun speziell auf
der linken Seite die ersten typischen Berliner Altbauten
zu sehen, ehe
wir in unmittelbarer Nachbarschaft des Rathauses um 13.35
Uhr in den
Bahnhof Spandau einfahren. Die großzügig gestaltete Halle
wirkt für die Station am Stadtrand mit ihrer langgezogenen
Überdachung ein wenig überdimensioniert, aber sehr modern.
Nach
kurzem
Stopp laufen die Lüfter der Triebköpfe wieder,
wir erhalten Ausfahrt in Richtung Innenstadt. Über die
Havelbrücke fahren wir parallel zur Berliner S-Bahn,
welche in
Spandau ihren westlichen Endpunkt hat. Nicht zuletzt mit
dem links der
Strecke liegenden Kraftwerk Reuter ist Spandau industriell
geprägt. Startende Flugzeuge in gleicher Blickrichtung
sind hier
übrigens keine Seltenheit: Östlich hiervon liegt TXL - der
Flughafen Berlin Tegel.
Bis
2006 nutzten
alle Fern- und Regionalzüge aus Richtung Spandau
die zweigleisige Trasse an Ruhleben vorbei in Richtung
Charlottenburg
und von dort über die Stadtbahn zu den Bahnhöfen
Zoologischer
Garten und Berlin Ostbahnhof. Mit Eröffnung des neuen
Hauptbahnhofes nahe des Regierungsviertels und der
Umsetzung des
sogenannten Pilzkonzeptes wurden die durch Berlin
führenden
Fernverkehrslinien neu strukturiert. Nahezu alle aus
Hamburg kommenden
Züge – so auch unser ICE 803 – befahren Fernbahngleise
parallel
zum S-Bahnring, welchen sie nach Unterqueren der
Rudolf-Wissell-Brücke (darüber führt die Berliner
Stadtautobahn) erreichen. Rostige Gleisreste erinnern hier
zudem an die
„Siemensbahn“: S-Bahnen fuhren von hier aus bis in das
Jahr 1980 zur
Station Gartenfeld.
Für
uns ist
hingegen noch einmal Tempo 160 möglich. Der
ebenfalls 2006 für Regionalzüge neu eröffnete Bahnhof
Jungfernheide wird direkt im Anschluss an die
Spreeüberquerung
ohne Halt durchfahren, es folgt in Fahrtrichtung links der
S-Bahnhof
Beusselstraße und schließlich die markanten Gebäude
der „Behala“ (Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft)
Westhafen mit
der gleichnamigen S-Bahnstation. Von hier aus besteht für
Fernzüge eine Abzweigmöglichkeit, um weiter östlich in
Richtung Wedding-Gesundbrunnen zu gelangen.
Personenverkehr findet
über diese Verbindung aus Spandau allerdings nur in
Umleitungsfällen statt, wenn Züge den Berliner
Hauptbahnhof
nicht anfahren können.
Für
den ICE
803 gilt das nicht, wir fahren in einer Rechtskurve
unserem nächsten Halt entgegen. In einer langgezogenen
Rampe geht
es nun in das Untergeschoss des Berliner Hauptbahnhofes –
gleichzeitig
Portal des Nord-Süd-Fernbahntunnels.
Diese
beiden Fotos
zeigen den Bauzustand des Berliner Hauptbahnhofes im
Sommer 2004
Frühjahr
2006
- der Hauptbahnhof ist fertiggestellt
und präsentiert sich bald der Öffentlichkeit
Viergleisig
in jeweils eigenen Röhren wird die Berliner Innenstadt im
Anschluss an den Hauptbahnhof durchquert. Für Regionalzüge
wurde der Bahnhof Potsdamer Platz eingerichtet; im
Anschluss hieran
befindet sich die südliche Rampe. Wieder am Tageslicht
wird die
Berliner U-Bahn nahe des Bahnhofes Gleisdreieck
unterquert. Parallel
zur S-Bahn, welche noch einen Zwischenhalt an der Station
Yorckstraße einlegt, erreicht ICE 803 schließlich seinen
Endbahnhof – Berlin Südkreuz.
Auch dieser Bahnhof wurde vor 2006
umfangreich erneuert; nichts erinnert mehr an die alte
Verkehrsstation,
welche bis dahin „Papestraße“ hieß. Die Ringbahn und die
Nord-Süd S-Bahn bieten von hier aus Umsteigemöglichkeiten
in
die südlichen Bezirke und Stadtteile Berlins – und von
hier aus
starten selbstverständlich auch wieder die schnellen Züge
an
die Elbe.
Fortsetzung
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