ICE am Abzweig Sorsum
Baubeginn für die Schnellfahrstrecke Hannover-Würzburg, welche die Fahrzeit zwischen Nord- und Süddeutschland erheblich verkürzt, war im Sommer 1973. In der Nähe von Hannover wurde der erste Rammschlag ausgeführt.
In den nächsten 18 Jahren sollte eine komplett neue Strecke entstehen, auf der Geschwindigkeiten von weit mehr als 200 km/h gefahren werden. Aus diesem Grund darf es auf dieser Strecke möglichst nur wenig Kurven und nur geringe Steigungen geben. Die Landschaft zwischen den beiden Städten ist jedoch sehr gebirgig. Es war erforderlich, eine Reihe von Tunnels zu bauen.
Insgesamt 115 km der 327 km langen Strecke verlaufen in 61 Tunnels. Für Fahrgäste ist das eher langweilig, zudem befinden sich weitere 88 km in Gräben versenkt.
Positiv steht dem jedoch eine erhebliche Reisezeitverkürzung gegenüber. Im Vergleich zu den bisher zwischen Hamburg und Frankfurt fahrenden IC-Zügen verkürzen die ICE's die Fahrzeit zwischen Elbe und Main um eine Stunde. Hamburg und Stuttgart rücken sogar um zwei Stunden näher zusammen, denn zwischen Mannheim und Stuttgart wurde im Jahr 1991 ebenfalls eine neue Strecke eröffnet.
Teile der Schnellfahrstrecke (SFS) Hannover-Würzburg wurden bereits vor 1991 für den Verkehr freigegeben. Es begann 1979 mit 12 km zwischen Hannover und dem Vorort Rethen. Im Sommer 1988 folgte das Teilstück Abzweig Edesheim-Nörten-Hardenberg zwischen Hannover und Göttingen sowie der gesamte Südabschnitt zwischen Fulda und Würzburg (94 km).
Als am 02. Juni 1991 der Einsatz des ICE begann, war die gesamte Strecke fertig. An der Strecke liegen insgesamt fünf Haltebahnhöfe: Hannover, Göttingen, der neu gebaute Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, Fulda und Würzburg.
Wie bereits oben geschrieben, erscheint den Fahrgästen die Strecke eher langweilig. Was genau langweilig ist, beschreibt eine Fahrt im IC 781 "Königssee" von Hannover nach Würzburg:
Pünktlich um 09:54 Uhr erhält der Zug das Abfahrtssignal im Hauptbahnhof von Hannover. Der Lokführer schiebt den Fahrschalter auf seiner Lok, der Baureihe 120, vor und der Zug setzt sich in Bewegung. Auf den ersten Kilometern verläuft die SFS parallel zur alten Strecke, der "Nord-Süd-Strecke" (NSS). Schon hier wird der Zug in die LZB aufgenommen. Die LZB erlaubt dem Lokführer eine höhere Geschwindigkeit als 160 km/h. Dieses Tempo ist nach wenigen Kilometern erreicht. Im Bahnhof von Rethen trennen sich nun die Wege der SFS und der NSS.
Der IC 781 fährt auf eine Rampe und beschreibt danach eine leichte Rechtskurve. Hier beginnt die eigentliche Schnellfahrstrecke. Ab der Übergangsstelle (Üst) Ritterkamp erhalten die ICE's die Freigabe für Tempo 250 (ICE 2 = 280 km/h). Unser Zug hat freie Fahrt für 200 km/h, denn für eine höhere Geschwindigkeit sind weder Lok noch Reisezugwagen zugelassen. Eine Übergangsstelle hat übrigens die Aufgabe, Züge von einem Gleis ggf. auf das andere zu lassen. Die Üst Ritterkamp besteht aus zwei Weichen. Nach knapp fünf Kilometern folgt die nächste Üst "Giften" und bei km 25,3 befindet sich der erste Überholungsbahnhof (Übf) der Strecke: Escherde.
Planmäßig kommt es auf der SFS nicht vor, daß Reisezüge von anderen Reisezügen überholt werden, weil nahezu alle Züge ICE's sind und mit derselben Geschwindigkeit fahren.
Drei Kilometer hinter Escherde befindet sich der erste Abzweig (Abzw) der Strecke. Es ist der "Abzweig Sorsum". Von hier kommen die Züge aus der Richtung Berlin-Braunschweig, die auf der SFS Richtung Süden weiterfahren sollen. Nun wird es dunkel. In km 29,5 beginnt der erste Tunnel der Strecke. Dies ist der 2906m lange Escherberg-Tunnel. ICE's, die vor dem Tunnel 280 km/h fuhren, müssen ein wenig abbremsen, denn die Höchstgeschwindigkeit während der Fahrt durch einen Tunnel ist auf 250 km/h begrenzt.
In km 34,4 befindet sich eine weitere Üst "Diekholzen" (im folgenden sind wegen der hohen Anzahl keine Üst mehr genannt) und danach beginnt schon der 1157m lange Eichenberg-Tunnel, gefolgt vom 332m langen Eggeberg-Tunnel. Jetzt folgen etwa zehn Kilometer im Freien, hier befindet sich der Übf Almstedt. Weiter geht es durch den Riesberg-Tunnel (1322m) und den Helleberg-Tunnel (1598m) zum nächsten Übf Orxhausen. Hier befindet sich übrigens eins von insgesamt acht elektronischen Stellwerken, welche den Verkehr auf der gesamten SFS steuern. Nach der Fahrt durch den Hopfenberg-Tunnel (717m), den 1729m langen Sohlberg-Tunnel und den 2994m langen Krieberg-Tunnel erreicht der Zug in km 77,3 den Abzweig Edesheim. Hier trifft die SFS wieder auf die Nord-Süd-Strecke. Auf der linken Seite ist die Stadt Northeim zu sehen. ICE's können hier noch einmal richtig aufdrehen, denn bis Göttingen befinden sich keine Tunnels mehr.
ICE bei Northeim
Nach 99,4 km Fahrt hält nun unser IC 781 auf dem ersten Unterwegsbahnhof: Göttingen. Um 10:34 Uhr geht es weiter, hinter dem Ortsausgang von Göttingen wird in der Nähe des Abzw Siekweg die Autobahn A7 überquert. Ab hier geht es auch für Züge bergauf, die Kasseler Berge rufen. "Berge" heißt "Tunnel", es geht schon wieder los: Leinebusch-Tunnel (1740m), Endelskamp-Tunnel (673m) und Mackenrodt-Tunnel (816m). Jetzt fährt der IC am Übf Jühnde vorbei, dem einzigen zwischen Göttingen und Kassel. Im nächsten Tunnel, dem 5210m langen Rauheberg-Tunnel geht es wieder bergab. Hinter dem Südportal dieses Tunnels befindet sich ein imposantes Bauwerk: die 422m lange Werra-Talbrücke, die neben dem Fluß auch die alte Strecke zwischen Eichenberg und Kassel überquert. Unmittelbar links neben der SFS befindet sich eine zweite Brücke: Die Autobahn A7 überquert hier ebenfalls das Werratal.
Werratalbrücke (links
die Autobahn 7).
Hinter der Brücke verschwindet der Zug im zweitlängsten Eisenbahntunnel Deutschlands, dem 10514m langen Mündener Tunnel. Gleich danach folgt der 1345m lange Mühlenkopf-Tunnel und der Lohberg-Tunnel (563m). Zwischen diesen beiden Tunnels befindet sich die Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Hessen. Hier bremst der Zug auf eine Geschwindigkeit von 140 km/h, kurz darauf auf 130 km/h ab, denn Kassel naht bereits. Nach wenigen Augenblicken ist auf der linken Seite der Güterbahnhof zu erkennen, ein Stück dahinter befindet sich der Hauptbahnhof von Kassel. Kassel Hbf ist ein Kopfbahnhof und liegt nicht direkt an der SFS Hannover-Würzburg. Aus diesem Grund wird der Hbf nur noch von wenigen Fernzügen, die morgens in Kassel starten bzw. abends dort enden, bedient.
Alle anderen Fernzüge halten im neu erbauten Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Einige Kilometer vor dem Bahnhof Wilhelmshöhe befindet sich noch der Abzweig in Richtung Altenbeken-Paderborn. Auf dieser Strecke fahren u.a. die InterRegio's von Düsseldorf nach Erfurt-Chemnitz. Diese Züge benutzen südlich des Bahnhofs Wilhelmshöhe noch ca. 3,5 km die SFS ehe sie am Abzweig Kassel-Oberzwehren in Richtung Bebra weiterfahren. Außerdem verlassen die IR-Züge Hamburg-Konstanz hier die SFS in Richtung Marburg-Gießen.
Kassel-Wilhelmshöhe
Unser IC 781 setzt nach der pünktlichen Abfahrt in Kassel um 10:57 Uhr seine Fahrt Richtung Süden fort.
Nach zwei relativ kurzen Tunnels, dem Kreuzungsbauwerk Oberzwehren (1147m) und dem Rengershäuser Tunnel (1592m) geht es wieder bergauf. Es folgen der Dörnhagen-Tunnel (739m) und der 2400m lange Kehrenberg-Tunnel, bevor in km 160,4 der Übf Körle Ost erreicht wird.
Leicht bergab geht es nun durch den Hainbuch-Tunnel (1520m), den Kaiserau-Tunnel (1861m), wieder etwas bergauf durch den Weltkugel-Tunnel (1641m) und schließlich durch den Wildsberg-Tunnel (2708m).
Etwas steiler bergauf durchfahren wir nun den Sengeberg-Tunnel (2807m), den Schalkenberg-Tunnel (2829m) und den Hainrode-Tunnel (5370m). Es folgen einige kürzere Tunnel: Mühlbach-Tunnel (1553m), Schmitteberg-Tunnel (321m), Kalter-Sand-Tunnel (1043m) und Schickeberg-Tunnel (1430m). Hier befindet sich der nächste Überholungsbahnhof: Kirchheim.
Kirchheim
Hinter dem Krämerskuppe-Tunnel (838m) verläuft die Strecke direkt an der Autobahn 7 entlang. Da es auf diesem Autobahnabschnitt in Fahrtrichtung Norden recht steil bergauf geht, können von hier aus gut LKW's beobachtet werden, die mit niedrigem Tempo den Berg heraufkriechen. Unser Zug verschwindet nun im 3820m langen Kirchheim-Tunnel, danach im kurzen, nur 444m langen, Hattenberg-Tunnel, im Warteküppel-Tunnel (835m) und schließlich im 3510m langen Richthof-Tunnel. Direkt hinter dem 557m langen Dornbusch-Tunnel liegt der Übf Langenschwarz
Bis zum nächsten Bahnhof Fulda fährt der Zug noch durch vier Tunnel: Den Witzelshöhe-Tunnel (796m), den Eichberg-Tunnel (976m), den Ganzberg-Tunnel (387m) und den 7375m langen Dietershan-Tunnel.
Bereits im Dietershan-Tunnel bremst der IC 781 ab, der Zug hält planmäßig zwar nicht in Fulda, aber mit 200 km/h kann der Bahnhof nicht durchfahren werden; im Bahnhofsbereich gilt Tempo 100.
Fulda
Hinter dem Bahnhof von Fulda verlassen einige Züge die SFS, um über Wächtersbach und Hanau in Richtung Frankfurt/M zu fahren.
IC 781 nimmt jedoch den letzten Abschnitt der SFS in Angriff. Vier relativ kurze Tunnel, der Sulzhof-Tunnel (714m), der Hartberg-Tunnel (773m), der Kalbach-Tunnel (1287m) und der Bornhecke-Tunnel (773m) bringen den Zug zum am höchsten gelegenen Punkt der SFS (ca. 380m ü.NN). Jetzt folgt der längste Eisenbahntunnel Deutschlands: Der 10780m lange Landrücken-Tunnel. Nachdem der Zug kurz das Tageslicht erblickt, um über die Sinntalbrücke zu fahren, taucht er gleich dahinter in den 2100m langen Schwarzenfels-Tunnel ein.
Hinter diesem Tunnel befindet sich der Übf Mottgers. Zugleich ist hier die Grenze zwischen den Bundesländern Hessen und Bayern. Während der Fahrt durch die beiden folgenden Tunnel (Altengronau-Tunnel, 2353m und Roßbacher Forst-Tunnel, 255m) fährt der Zug noch einmal kurz durch hessisches Gebiet. Kurz vor der Dittenbrunn-Talbrücke erreicht der Zug endgültig Bayern.
Erster Tunnel hier ist der 822m lange Dittenbrunn-Tunnel. Die folgenden acht km sind ohne Tunnel, hier folgt, kurz vor dem nächsten Übf Burgsinn, der 729m lange Burgsinn-Tunnel. In Burgsinn können Züge über den Abzweig Sinnberg auf die alte Nord-Süd-Strecke nach Gemünden wechseln. Weiter geht es durch den Sinnberg-Tunnel (2159m), den Einmalberg-Tunnel (1140m) und den 5528m langen Mühlberg-Tunnel zum letzten Überholungsbahnhof der Strecke: Rohrbach.
Hier bei Rohrbach befindet sich auch der letzte Abzweig der Strecke: Die Nantenbacher Kurve endet bzw. beginnt hier. Aus Richtung Frankfurt-Aschaffenburg kommende IC-Züge können von hier aus das letzte Stück der SFS bis Würzburg mitbenutzen.
Ein Tunnel nach dem anderen...
Sieben Tunnel hat der IC 781 noch bis zu seinem Ziel Würzburg vor sich. Los geht es mit dem Hanfgarten-Tunnel (400m) und dem 872m langen Hohe Wart-Tunnel. Nach der Fahrt über zwei weitere Talbrücken fährt der Zug in den Espenloh-Tunnel (2235m), durch den Eichelberg-Tunnel (1869m) und durch den Neuberg-Tunnel (1945m). Hier, kurz vor Würzburg, folgt die sehr lange (1290m) Maintalbrücke Veitshöchheim. Die letzten beiden Tunnel sind der Roßberg-Tunnel (2160m) und der 571m lange Steinberg-Tunnel. Hier bremst der Zug bereits auf 80 km/h ab, damit er um 12:05 Uhr pünktlich im Hauptbahnhof von Würzburg zum Stehen kommt.
Welche Züge befahren die SFS Hannover-Würzburg?
Zu einem Großteil sind dies die ICE-Züge der Linien Hamburg-München (in ganzer Länge), Berlin-Frankfurt-München (vom Abzweig Sorsum bis Fulda), die ICE Bremen-Frankfurt und Hamburg-Frankfurt-Basel/Stuttgart (von Hannover bis Fulda). Zwischen der Verbindungskurve Nantenbach und Würzburg fahren die EC/IC/ICE der Relation Frankfurt/M-Nürnberg auf der SFS.
Im Abschnitt zwischen Göttingen und Kassel befahren die IR-Züge der Linie Hamburg-Konstanz die SFS.
Dazu kommen noch einzelne lokbespannte
Züge. Dies sind (im Sommer 99) der IC 1080/1081 "Königssee" Hamburg
- Berchtesgaden/Oberstdorf (von Hannover bis Würzburg auf der SFS)
und der IC 1086/1087 Hamburg-Mühldorf zwischen Göttingen und
Fulda.
Nachts ist die Strecke fest in der Hand
von Güterzügen, außerdem fährt EN 483 zwischen Fulda
und Würzburg über die SFS.
Noch ein Wort zu den Reisezügen: Nicht alle Wagen sind für das Fahren auf der SFS zugelassen. Voraussetzung, daß ein Wagen eingereiht werden darf, ist das Vorhandensein der Notbremsüberbrückung. Diese soll verhindern, daß ein Zug, nachdem die Notbremse gezogen wurde, in einem Tunnel zum Stehen kommt. Mehr Informationen hierzu gibt es auf der Steuerwagen-Seite.
Im Sommer 1999 fanden auf der SFS zahlreiche
Baumaßnahmen statt. Speziell auf Brücken wurden die Gleise saniert.
Hier einige Fotos:
Selten: Eine Diesellok -
dazu noch ohne LZB - auf der Schnellfahrstrecke