LZB







Die linienförmige Zugbeeinflussung (LZB) ist ein spezielles Zugsicherungssystem bei der Deutschen Bahn.

Im Unterschied zu herkömmlichen Systemen richtet sich der Lokführer/die Lokführerin* nicht an die ortsfesten Signale an der Strecke, sondern er/sie beachtet Informationen, die auf dem Führerstand angezeigt werden.
 

* Im folgenden benutze ich aus Platzgründen den Begriff Lokführer. Gemeint ist jedoch immer sowohl männliches als auch weibliches Personal.


Zu Beginn eine kurze Erklärung des herkömmlichen Systems mit Haupt- und Vorsignalen an der Strecke und ein Vergleich mit dem Straßenverkehr:

Im Straßenverkehr gibt es keine Vorsignale. Der Autofahrer sieht eine Ampel in jedem Fall rechtzeitig und kann entsprechend reagieren. Zudem sind Ampeln auch nur innerhalb von geschlossenen Ortschaften bzw. auf Landstraßen installiert. Die höchste erlaubte Geschwindigkeit beträgt hier 100 km/h, vor Ampelanlagen wird die Geschwindigkeit i.d.R. je nach Sicht auf 80 oder auch 60 km/h begrenzt. Ein Auto kommt also immer rechtzeitig zum Stehen.

Bei der Bahn ist das anders:

Der Bremsweg eines Reisezuges beträgt bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h (das ist die höchste erlaubte Geschwindigkeit eines Zuges) etwas weniger als 1000 Meter. Nicht immer kann ein Lokführer (genauso wie ein Autofahrer) 1 km im voraus sehen. Die Sicht kann durch Regen, Nebel oder auch durch eine kurvige Strecke eingeschränkt sein.

Aus diesen Gründen steht im Abstand von 1000 Metern vor einem Hauptsignal ein Vorsignal. Das Vorsignal zeigt an, welche Information der Lokführer am Hauptsignal voraussichtlich zu erwarten hat. Zeigt ein Vorsignal "Halt erwarten" an, muß der Lokführer sofort die Bremsung einleiten, um rechtzeitig vor dem Hauptsignal zum Stehen zu kommen.

160 km/h ist also die maximalste Geschwindigkeit, die bei diesem Signalsystem gefahren werden kann.

Die Bahn steht jedoch mit anderen Verkehrsmitteln - insbesondere dem Auto und dem Flugzeug - im Wettbewerb. Neben Bequemlichkeit, Service, Sicherheit und anderen Kriterien wählt ein potentieller Fahrgast sein Verkehrsmittel auch nach der Schnelligkeit aus; d.h. er fragt sich, wie lange er braucht, um von A nach B zu kommen.

Um konkurrenzfähig zu bleiben, entschloß man sich, Strecken für höhere Geschwindigkeiten auszubauen bzw. Strecken komplett neu zu bauen.

Gleichzeitig mußte aber auch ein neues Signalsystem gefunden werden: Die LZB. Erst die LZB ermöglicht höhere Geschwindigkeiten als 160 km/h.

Deutlichstes Erkennungsmerkmal des Vorhandenseins von LZB für den Fahrgast ist ein in der Mitte des Gleises verlaufendes Kabel.

Direkt an der Innenseite der Schiene ist aber ein zweites Kabel verlegt. Alle 100 Meter kreuzen sich diese Kabel (Linienleiter). Von diesen Kreuzungspunkten können Informationen an das angeschlossene Stellwerk weitergegeben werden. Der Fahrdienstleiter kann also auf 100 Meter genau feststellen, wo sich ein Zug befindet.

Im Stellwerk stehen drei sog. LZB-Rechner, die Informationen an die Strecke geben bzw. Informationen von dort aufnehmen. Die drei Rechner arbeiten parallel, mindestens zwei Rechner müssen zum selben Ergebnis kommen, bevor ein Befehl weitergegeben wird.
 

Ein Beispiel:

Strecken der Deutschen Bahn sind in sog. Blockabschnitte eingeteilt. Am Beginn eines jeden Blockabschnitts steht ein Signal. Es darf erst dann "Fahrt" (ein grünes Licht) zeigen, wenn der Blockabschnitt davor garantiert frei ist, d.h. wenn sich dort kein Zug befindet.
 

Zug1_________________Vorsignal__Signal________________Zug2_______________________________

km0            km1            km2            km3            km4           km5

A                                                                                                                                        B
 

Unser Zug (Zug1) fährt von A nach B. Der nächste Zug (Zug2) im Blockabschnitt vor unserem Zug ist am Signal in km3 bereits vorbeigefahren. Unser Zug darf bis km3 fahren. Beim herkömmlichen Signalsystem ist die Höchstgeschwindigkeit 160 km/h, denn erst in km2 sieht der Lokführer das Vorsignal. Es zeigt "Halt erwarten", weil sich im Blockabschnitt vor uns noch Zug2 befindet. 1000 Meter beträgt der Bremsweg, d.h. unser Zug bremst von km2 bis km3 und kommt rechtzeitig am Signal in km3 zum Halten.

Tatsächlich hätte unser Zug jedoch drei Kilometer Bremsweg (von km0 bis km3) zur Verfügung. Nur steht das Vorsignal nicht bei km0, sondern erst bei km2.

Jetzt zeigt sich der Hauptvorteil der LZB:

Die LZB sagt dem Lokführer schon bei km0, daß er in km3 halten muß. Aufgrund dieses längeren Bremsweges (3000 Meter) gibt die LZB eine größere Sollgeschwindigkeit vor, d.h. sie erlaubt dem Zug, schneller als 160 km/h zu fahren, denn er hat statt 1000 Meter ja insgesamt 3000 Meter zum Bremsen.
 

Im obigen Beispiel "sieht" die LZB 3000 Meter im voraus. Sie leistet jedoch noch mehr: Die maximale Vorausschau richtet sich nach der Art (Reisezug oder Güterzug) und der Höchstgeschwindigkeit des Zuges. Lokomotiven die 160 km/h oder weniger als Höchstgeschwindigkeit haben, sehen 4000 Meter im voraus. Bei max. 200 km/h sind es 7000 Meter und bei 250 km/h gewährleistet die LZB 9900 Meter Vorausschau. Eine Besonderheit ist der ICE 2: Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 280 km/h. Im MFA (Erläuterung: s.u.) werden 9900 Meter Vorausschau angezeigt. Im Führerstandsdisplay werden dem Lokführer jedoch 12000 Meter angezeigt.

Der Vollständigkeit halber noch folgende Erklärung: Es könnten natürlich auch die Abstände vom Vorsignal zum Hauptsignal vergrößert werden. Auch dann wären höhere Geschwindigkeiten als 160 km/h möglich, jedoch würde das die Kapazität der Strecke stark einschränken, d.h. es könnten insgesamt weniger Züge fahren.

Wie erhält das Lokpersonal nun die Informationen?

Dazu ist unter jeder Lok, die mit LZB ausgerüstet ist, eine Sende- und Empfangseinheit installiert. Über die beiden Kabel im Gleis kommuniziert die Lok mit dem Stellwerk.

Die Informationen gelangen im Führerstand zum MFA. Das ist das "ModulareFührerraumanzeigegerät". Hier erkennt der Lokführer neben seiner tatsächlichen (der Ist-) Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit, die er laut LZB gerade fahren soll und die Zielgeschwindigkeit. Anhand der Zielgeschwindigkeit erkennt der Lokführer, wie lange er diese Geschwindigkeit noch fahren darf (also die Vorausschau max. 4000, 7000 oder 9900 Meter).

Ein Beispiel:

Heute befinden wir uns im IC 781 von Hamburg nach Hannover. Unsere Zuglok ist die Baureihe 120, eine 200 km/h schnelle InterCity-Lokomotive. Kurz hinter Hamburg-Harburg erteilt uns die LZB die Freigabe für Tempo 200.

Im günstigsten Fall erkennen wir im MFA folgende Informationen:

Zielgeschwindigkeit: 200 km/h
Sollgeschwindigkeit: 200 km/h
LZB-Zielentfernung: 7000 Meter

Das bedeutet, daß sich auf den 7000 Metern vor uns kein anderer Zug befindet und daß wir auf den nächsten 7000 Metern mit 200 km/h fahren dürfen.

Plötzlich ändert sich die Anzeige:

Zielgeschwindigkeit: 0 km/h
Sollgeschwindigkeit: 200 km/h
LZB-Zielentfernung: 7000 Meter, nach einem kurzen Augenblick 6900 Meter, dann 6800 Meter usw.

Was ist passiert?

7000 Meter vor uns zeigt ein Signal auf "Halt", d.h. dort müssen wir stehen.

Die Sollgeschwindigkeit beträgt immer noch 200 km/h, denn 6800 Meter sind ja noch ein relativ langer Weg bis zum Signal.

Das LZB-Ziel zeigt eine immer kürzere Zielentfernung an. Mittlerweile steht die Anzeige bei 3000 Metern.

Inzwischen hat die LZB den Bremsweg berechnet. Bei 3000 Metern gibt die LZB dem Lokführer die Information, mit dem Bremsen zu beginnen: Eine rote Anzeige leuchtet auf und es ertönt ein akustisches Signal. Die Sollgeschwindigkeit wird geringer: 190 km/h, 180 km/h usw.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Die Lokomotiven der Baureihe 120 sind mit einer "Automatischen Fahr- und Bremssteuerung" (AFB) ausgerüstet. Das heißt, der Lokführer braucht nicht aktiv eingreifen, die AFB erhält von der LZB den Befehl zum Bremsen und leitet die Bremsung selbständig ein.

Ist die Lok nicht mit AFB ausgerüstet, muß der Lokführer von Hand bremsen. Er muß unbedingt darauf achten, daß er die von der LZB vorgegebene Sollgeschwindigkeit nicht überschreitet. Dann würde der Bremsweg bis zum auf Halt zeigenden Signal nicht mehr ausreichen. Das Bremsverhalten des Lokführers wird lückenlos von der LZB überwacht. Richtet sich der Lokführer nicht nach der LZB, geht von der LZB ein Signal an das Bremssystem des Zuges, sofort anzuhalten. Das ist eine sog. Zwangsbremsung.
 

Direkt vor dem Halt zeigenden Signal erscheint folgende Information:

Zielgeschwindigkeit: 0 km/h
Sollgeschwindigkeit: 0 km/h
LZB-Zielentfernung: 0 Meter

Unser Zug steht.

Nachdem der Streckenabschnitt vor uns frei ist, gibt uns die LZB wieder eine Ziel- und Sollgeschwindigkeit sowie ein LZB-Ziel vor. Wir können weiterfahren.
 

So sieht das MFA im Original aus (hier ein Bild aus der Baureihe 101):

Auf der rechten Seite ein Tachometer wie beim Auto. Der gelbe Pfeil zeigt die momentan gefahrene Geschwindigkeit. Die Zielgeschwindigkeit erkennen wir an der roten Digitalanzeige im Tachofenster unten. Die orangefarbene Pfeilspitze an der Außenseite des Tachos (steht momentan bei 150 km/h) zeigt die Sollgeschwindigkeit an.

Die Zielentfernung ist auf der Digitalanzeige in der Mitte des MFA zu erkennen: Ein oranger Leuchtbalken bis 4000 Meter Zielentfernung und bei größerer Entfernung eine digitale Ziffernanzeige über dem Leuchtbalken.
 

Im unteren Bild also folgender Fall:

Istgeschwindigkeit: 240 km/h
Zielgeschwindigkeit:  0 km/h
Sollgeschwindigkeit:   280 km/h
LZB-Zielentfernung:  8000 Meter






Auf folgenden Strecken der Deutschen Bahn ist LZB verlegt:

Klecken-Bremen=Oberneuland
Dreye-Bohmte (zw. Bremen-Osnabrück)
Lengerich(Westf)-Münster(Westf)
Hamburg=Harburg-Hannover
Lehrte-Stendal-Berlin=Spandau
Hannover-Bückeburg
Dortmund-Hamm(Westf)-Bielefeld (excl. Bf. Hamm)
Hamm(Westf)-Soest-Paderborn
Duisburg-Köln (excl. Bf Düsseldorf Hbf)
Hailer-Meerholz-Wolfgang(Kr Hanau) (zw. Frankfurt/M-Fulda)
Hannover/Hildesheim-Würzburg
Neustadt/Aisch-Iphofen (zw. Nürnberg u Würzburg)
Goddelau-Erfelden-Mannheim
Mannheim-Stuttgart/Karlsruhe
München-Augsburg
Augsburg-Donauwörth
Westheim-Dinkelscherben (zw. Augsburg-Ulm)
Wurzen-Bornitz (zw. Leipzig-Dresden)
Bühl-Basel Badischer Bf.
 
 

CIR-ELKE

CIR-ELKE steht für Computer Integrated Railroading - Erhöhung der Leistungsfähigkeit im Kernnetz.

Dies ist eine Weiterentwicklung der LZB. Mit Hilfe von CIR-ELKE ist es, wie die Bezeichnung schon sagt, möglich, mehr Züge auf einer Strecke fahren zu lassen und damit die Kapazität der Strecke gegenüber der LZB nochmals zu erhöhen.

Als Pilotprojekt wurde die Rheintalbahn Offenburg-Basel ausgewählt, da es hier relativ wenig Streckenabzweigungen gibt. Warum? Im Gegensatz zu LZB-Strecken, wo Lokomotiven mit LZB eben LZB-geführt und Lokomotiven ohne LZB nach den Signalen an der Strecke fahren, dürfen auf CIR-ELKE-Strecken nur Lokomotiven fahren, die dieses System eingebaut haben. Aus Kostengründen möchte man die Anzahl dieser Lokomotiven gering halten.
 
 
 

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